Leseprobe 3

Erste Begegnung mit Claudia

 

Im nächsten Moment öffnet sich leise die Tür und eine geschmackvoll gekleidete, attraktive Frau schaut herein. Frank schätzt sie auf Mitte Dreißig. Sie hat blonde, halblange Haare und außergewöhnlich blaue Augen. Trotz des dicken, aber sehr eleganten blauen Winteranoraks mit dem gut gemachten künstlichen Fellbesatz an der Kapuze, der ihre Augenfarbe zusätzlich zu unterstreichen scheint, kann er erkennen, dass sie sehr schlank und gut proportioniert ist. Ihr Tonfall ist dunkel, warm und ruhig „Guten Tag, ...alle zusammen“, sagt sie zögernd. Der Gruß wird von den Anwesenden fast scheu erwidert. Frank starrt sie nur an.

 

„Sind Rocker und Ufo in ihren Boxen?“ fragt die fremde Frau. „Ja selbstverständlich“, versichert Regina eifrig. „Die Halsbänder und Leinen hängen hinter der Tür, Ulle stellt dann das Futter nachher schon rein.“ „Danke“, antwortet die Frau leise und schließt die Tür wieder.

 

Einen Moment lang herrscht fast eine peinliche Stille im Raum, dann versucht die Tierheimchefin die Gespräche wieder in Gang zu bringen. Langsam folgen ihr die anderen, bis die alte Stimmung wieder zurückgekehrt ist. Sie gerät noch einmal ins Stocken, als die elegante Frau draußen am Fenster des Büros mit zwei großen Hunden in Richtung Ausgang vorbeigeht und ihr alle Anwesenden hinterher blicken.

 

„Na, dann lasst uns mal nach den Neuzugängen gucken“, kurbelt die Tierheimchefin das Gespräch wieder an. „ Stell dir vor“, sagt sie zu Erwin Marquardt „Heute Mittag hat Walter einen Karton mit drei kleinen Katzen hinter der Mauer neben dem Tor gefunden. Bei dieser Kälte. Die waren total ausgehungert und unterkühlt. Ich hoffe, wir kriegen sie durch, obwohl wir kaum noch Platz haben!“. Sie hat sich von ihrem Stuhl erhoben und strebt dem Ausgang zum Katzenhaus zu.

 

Erwin, Frank, Ulle und die anderen Tierheimmitarbeiter folgen ihnen.

 

Im Katzenhaus mit den separierten Bereichen gibt es zusätzlich zur Zentralheizung noch einen Kachelofen, dem wohlige Wärme entströmt. Um ihn herum sind drei bis vier Katzenkörbe verteilt. Auch Kratzbäume und Hochschlafstätten befinden sich in dem Raum. Sie gehen durch das Behandlungszimmer, dahinter schließt sich der Quarantäneraum an.

 

In der Ecke des Raumes steht hinter einer niedrigen, provisorischen Absperrung ein Korb über dem eine Wärmelampe hängt. Die drei kleinen getigerten Katzenbabys kuscheln sich unter ihr dicht aneinander gedrängt und scheinen friedlich zu schlafen. Ihre kleinen Bäuche sind ausgehöhlt, aber jetzt liegen sie warm und trocken. Im Schlaf gähnen sie ausgiebig und zeigen ihre rosigen Zungen. Lediglich die schniefenden Atemgeräusche und verklebten Augen der Katzenbabys deuten darauf hin, dass die Idylle nicht ganz so perfekt ist. Als würden die Babys sonst geweckt, senken die Pfleger und Tierärzte ihre Stimmen und flüstern fast. Vorsichtig nimmt der alte Tierarzt ein Katzenbaby aus dem Korb. Sofort knäckert das Kleine gereizt los und wehrt sich instinktiv mit den Tatzen gegen die Untersuchung. Zuerst tastet Erwin das Kätzchen ab, um eventuelle Brüche oder Verletzungen festzustellen. Doch er findet nichts.

 

Mit einem Spezialthermometer misst er die Temperatur des kleinen Katers, wie er inzwischen festgestellt hat. Die ist leicht erhöht, ebenso die Atemfrequenz. Nacheinander untersucht er die Minitiger. „Die haben alle einen Schnupfen. Hoffen wir nur, dass das kein echter Katzenschnupfen oder gar eine Lungenentzündung ist, dann haben sie kaum Überlebenschancen“, runzelt Erwin Marquardt die Stirn. „ Sie dürften ca. vier bis sechs Wochen alt sein und müssten die Augen schon offen haben, aber die sind durch die Erkältung stark entzündet und verklebt. Und außerdem gehören sie eigentlich noch zu ihrer Mutter“, „Eine Erstimpfung und Entwurmung werden sie sicher auch noch nicht haben“, ergänzt Regina Scheffler aufgebracht. Frank krault weiter ihre Bäuchlein „Es sind zwei Miezen und ein Kater!“ lächelt er etwas zögerlich. Es ist lange her, seit er echtes, warmes Fell berührt hat. Ulle stottert unbeholfen „Das haben wir hier fast jede Woche!“ „Leider“, bestätigt Regina. „Manche Leute sind grausam.“ Erwin hat inzwischen eine Spritze aufgezogen „Ich gebe ihnen erstmal ein Antibiotikum und eine Aufbauspritze. Morgen sehen wir dann weiter. Wenn sie die nächsten 24 Stunden überstehen, dürften sie über dem Berg sein. Erst dann können wir in zwei - drei Wochen die Grundimmunisierung und Wurmkur machen. Ihr könnt sie mit Katzenmilch füttern, wenn der Durchfall weg ist oder habt ihr eine Amme?“ „Nein, leider nicht“, ist sich Regina sicher "Normalerweise kommen ja Katzen auch erst im Frühling auf die Welt und nicht im Winter."